Glossom : Ape

pfeil
»Sturzbesoffen, wie sie waren, warfen sie ihn hinten auf die Ladefläche des Ape. Da saß schon ein Bub, der ein paar Jahre jünger war als sie, dreizehn war er und hatte mit der Ziehorgel auf der Hochzeit gespielt. Die zwei Bauernburschen machten sich einen Spaß daraus, mit dem Ape so schnell wie möglich durch jedes Schlagloch zu fahren, das sie im Scheinwerferlicht entdecken konnten.«

(aus Grobes Foul 2010, S. 36)
 

pfeil
Ape (ital.): die Biene. Hier: Ein von der Firma Piaggio seit ewigen Zeiten (1947) hergestelltes dreirädriges Fahrzeug mit kleiner Fahrerkabine und einer kaum mehr als quadratmetergroßen, meist offenen Ladefläche. (Ape ist als Biene eine Cousine der Vespa (Wespe), die ein Jahr älter ist.) Wird durch einen 50-ccm-Motor angetrieben und diente in den 50er und 60er Jahren zur führerscheinfreien Beförderung ganzer Familien. Es wurden aber auch schon fuchsschwanzgeschmückte, aufgebohrte (133 ccm) Exemplare ausgemacht. Die Ape wurde zeitweise gern von promillebedingt führerscheinlosen BMW-Fahrern benutzt. Inzwischen haben auch andere Kleinstgefährt-Produzenten die alkoholbedingte Marktlücke entdeckt.

(aus dem Glossar zu Grobes Foul 2010, S. 242)
 

pfeil
»Jeder Betrieb hat eigene Bedürfnisse – ob Gärtnerei, Bäckerei oder Eventfahrzeug«: So liest es sich, inzwischen, werblich. Tja. Andernorts erzählt es sich anders, aus Zeiten, zu denen der Ape (resp. Apetto) ein respektables Fortbewegungsmittel war: auch nicht so lange her.

Die Bleibe
»tantumque: sons is alles inna butta, schön isses hier. soll heißen (also einleitend landschaftsbeschreibung): eine alte mühle, relativ groß und kaum durch gemauer abgeteilt, zwei stockwerke, parterre 3 tore und 5 bögen. ich hab mir ein zimmer al p.p. eingerichtet. 2 tische (1 zeichentisch) drehhocker poltrone, bettkästen, wandbrett etc. eine stehlampe. allerdings, bei tag permanent glühlicht weil das fenster so klein is. poi: außen: n kleen bächchen, und sonst nicht viel, laubwälder. nachdem ich seitlich angekommen bin, ein maximum von 350 m entfernung von der mühle zu mir genommen habe, war die gangbare welt zu ende. ringsherum ham wer hügel d.h. wir sitzen im tal, die hälfte des horizontes sind bäume, der rest himmel. ein haus ist ganz weit weg zu sehen. sonst nix. übrigens ist seit n paar tagen nicht besonderes wetter, also arbeit ich den ganzen tag im zimmer. sonst eher in der höhle, d.i. der bogen unter einer brücke, idealer platz wennes heiß ist, und ruhig, aber sonst viel zu feucht.« (S.M.I.T. 11ag84)

Das Mensch
»natalino mecarolo ist sozusagen der hausmeister und praktisch den ganzen tag hier, er, sein ape und seine schafe. 50jährig, dem dorf ist er der dorftrottel und hennenficker.« (S.M.I.T. 11ag84) Eine Mutter bekocht und beaufsichtigt ihn, er fährt sie im apetto wöchentlich nach Civitella d´Agliano. Ist er den leuten hier der Dorftrottel, ist sie ihnen die Dorfhexe.

Die Viecher
»hasen, schafe, schneggen, schweine, wildschweine, hennen, fasane, singvögel: es läuft und fliegt um die mühle herum und wird, im stück oder in teilen, verzehrt. bis auf wast und sepp, die beiden. die zwei ausgewilderten jungkatzen waren die ersten besucher, schrittweise zuerst, kommen jetzt regelmäßig vorbei, tippeltappel, fordernder von tag zu tag, di notte poi … coppali, sagt natalino und schlägt vor: axt steine prügel flinte wasser, oder der strick. laß, sag ich, is gut. hab mich mit katzen noch nie anfreunden können. wast ist über und über schwarz, bis auf einen weißen brustlatz, der dünn nach oben ausläuft, und die nase und die socken, hinten rechts zu kurz geraten, vorne sehr ungleichmäßig gestrickt. sepp ist der tiger, schwarzbraun, am schwanz vom braun ins weiß wechselnd, in immer breiter werdenden streifen. insomma: biester sinds, und bringen mir tag für tag neue unarten bei.« (S.M.I.T. 16ot84)

Der Onkel
»der onkel hat bis vor einem jahr im vatikan gearbeitet, als usciere. heut kocht er schwämme, die giftig sind, wenn man nicht weiß wie und versorgt mich mit sambuca aus der farmacia del vaticano. attenzione, sagt natalino, der onkel ist, und dann fährt er sich hinters ohr und wedelt damit, so eben und ein froccio. paraculo sagt natalino und lacht, es haut uns samt ape fast aus der kurve.« (S.M.I.T. 02ot84)

Die Gegend
»neanche cento chilometri dal raccordo annulare, niente! ci metti un'oretta. deswegen steht auf jedem hügel eine villa und in der villa sitzen die frauen der sozialisten des psi und in der kellerbar rustikalen die sozialisten des psi und in der einen stunde wo sie vor ihrer villa stehen die männer des psi kommen fünf väter wegen der stelle bei der staatseisenbahn und dem sohn. mi scusi, onorevole, ma sa. aber whisky is gut und genug und der filmausstatter der für die macistefilme das pappmachè angerührt hat in den sechzigern schleift mich mit.« (S.M.I.T. 20ag84) »außadem: hier gibbs zeitweise sogar nazionale ohne filter. 20 packtln schon geraucht.« (S.M.I.T. 11ag84)


Aus: Haga Zussa. oder: Wast und Sepp in San Michele in Teverina
unter Verwendung von Notizen des Jahres 1984
Erschienen in: Es wird nie mehr Vogelbeersommer sein, Folio Verlag, 1998

 


weitere information und zusätzlichen lesestoff finden Sie auf www.lanthaler.info
© der textschnipsel aus den romanen sowie aus den glossaren zu den romanen bei HAYMONverlag
© der fortschreibungen der glossare sowie des restlichen materials bei kurt lanthaler